Der Mensch kennt Brillen schon seit Jahrhunderten. Früher trugen sie vor allem Reiche und Gelehrte, heute muss niemand mehr auf gutes Sehen verzichten. Einige Menschen mögen ihre Brille nicht (und wechseln zu Kontaktlinsen), andere lieben ihre Brille und möchten sie auf keinen Fall missen. Dieses Kapitel konzentriert sich auf die physikalisch-optischen Eigenschaften von Brillen, das heißt auf die Effekte der verschiedenen Glaskategorien, und behandelt das Thema der Brillenfassungen nur in diesem Zusammenhang.
Das Gestell
Das erste Gestell mit Bügeln, die ausschließlich über die Ohren gehen, wurde 1727 von Edward Scarlett, einem englischen Optiker, erfunden. Heute gibt es Gestelle in allen denkbaren Formen und Materialien. Für viele Brillenträger ist das Gestell verständlicherweise eine viel wichtigere Angelegenheit als die Gläser. Schließlich verändert es das Erscheinungsbild unseres Gesichts. Auch wenn man ganze Bücher über Gestelle schreiben könnte, werden sie hier nur in Bezug auf ihren direkten Einfluss auf die optische Wirkung erwähnt.
Die Gläser
- Grundsätzlich gibt es für nahezu jedes Gestell und jede gewünschte Korrektur das passende Glas.
- Große Gläser bieten ein größeres Sichtfeld als kleine Gläser.
- Große Gläser sind jedoch viel dicker und schwerer als kleine Gläser.
- Ein dickes Gestell schränkt das seitliche Sehen stärker ein als ein dünnes Gestell.
- Randlose Gestelle erfordern Materialien für Brillengläser, die bruchsicher sind (CR39 oder Polycarbonat).
Die Art der Materialien (Mineralglas oder organisches Glas) hat nur geringe Auswirkungen auf die physikalische Optik. Beide Materialien haben ihre eigenen Vorteile.
Grundlegende Eigenschaften
Brillengläser, ebenso wie Kontaktlinsen, funktionieren nach denselben optischen Prinzipien, bei denen Lichtstrahlen fokussiert oder divergiert werden. Sie können somit gelenkt werden.
- Negative oder divergente Linse: Die Lichtstrahlen werden so abgelenkt, dass sie auseinanderlaufen. Negative Linsen oder Gläser korrigieren die Kurzsichtigkeit.
- Lentille positive Positive oder konvergente Linse: Die Lichtstrahlen werden auf den Brennpunkt gelenkt. Positive Linsen oder Gläser korrigieren die Weitsichtigkeit und die Altersweitsichtigkeit.
Mineralgläser
- Breites Bereich an Brechungsindices, von n = 1,5 bis n = 1,9: Ermöglicht die Korrektur starker Fehlsichtigkeiten auch mit dünnen Gläsern.
- Hohe Härte der Oberflächen: Sehr kratzfest, daher gute Langlebigkeit des Glases.
- Gute Verschmelzung der verschiedenen Materialien: Kein Rand für Bifokal- und Trifokalgläser.
- Gute Möglichkeit des Verkleben von Materialien: Möglichkeit für Mehrschichtgläser (mehrere übereinanderliegende Schichten von Glas) und in der Nähe zusammengeklebte Sehsegmente, zum Beispiel bei unterschiedlichen Prismeneffekten für Nah- und Fernsicht.
Organische Gläser
- Breites Bereich an Brechungsindices, von n = 1,5 bis n = 1,74: Ermöglicht die Korrektur starker Fehlsichtigkeiten mit relativ dünnen Gläsern.
- Geringes Gewicht: Die Brillen sind leicht und angenehm zu tragen.
- Hohe Bruchfestigkeit: Besonders geeignet für Sportbrillen und Brillen für Kinder.
- Geringe Oberflächenhärte: Eine gehärtete Beschichtung ist erforderlich, um eine ähnliche Härte wie bei Mineralgläsern zu erreichen.
Der Brechungsindex
Je höher der Brechungsindex, desto dünner und leichter kann das Glas bei gleicher Korrektur sein.
Bei gleichem optischen Effekt bestimmt der Brechungsindex (n) eines Glases die zentrale und Randdicke. Er hängt von der Zusammensetzung des Glasmaterials ab: Zusätze im Material ermöglichen höhere Brechungsindizes. Bei starken Gläsern kann es zu einer leichten Dispersion am Rand des Glases kommen. Meistens wird dies jedoch nicht als störend empfunden (ähnlich wie die Farbeffekte bei Kristallvasen).
Stärke der Linse in Dioptrien
Die optische Stärke eines Glases (oder einer Kontaktlinse) wird in Dioptrien gemessen. Eine Dioptrie ist der Kehrwert der Brennweite (f) des Glases, ausgedrückt in Metern.
Brennweite | Dioptrie |
0.5 Meter | 2,00 dpt |
1 Meter | 1,00 dpt |
2 Meter | 0,50 dpt |
4 Meter | 0,25 dpt |
Asphärische Gläser
- Asphärisch
- Sphärisch
Sphärische Gläser oder Linsen sind in allen Dimensionen identisch. Wenn die Krümmung der vorderen und hinteren Oberfläche unterschiedlich ist, handelt es sich um asphärische Gläser oder Linsen. Diese Art von Glas ist dünner und leichter. Bei gleichem optischen Effekt bestimmt der Brechungsindex (n) des Glases die zentrale und Randdicke. Er hängt von der Zusammensetzung des Glasmaterials ab: Zusätze im Material ermöglichen höhere Brechungsindizes.
Anti-Reflex-Beschichtungen und Tönung
Wie jede glatte Oberfläche reflektiert auch das Brillenglas das einfallende Licht. Deshalb haben die meisten Gläser heutzutage eine Anti-Reflex-Beschichtung. Ihre Wirkung: Keine störenden Reflexe für den Brillenträger und der Gesprächspartner sieht die Augen und nicht nur verzerrende Reflexionen. Für Autofahrer sind Anti-Reflex-Gläser ein Muss. Eine leichte Tönung des Glases kann die Sicht angenehmer machen und/oder einen modischen Effekt erzielen.
Multifokale Gläser
- Fernsicht
- Mittelweite
- Nahsicht
Ein Glas bietet – abgesehen von einer eventuellen astigmatischen Korrektur – eine bestimmte Korrektur. Durch das Verschmelzen (Mineralgläser) oder Einfügen (organische Gläser) zusätzlicher Linsen in das Glas ist es möglich, Gläser mit zwei oder drei Korrekturen zu erstellen (Bifokal- bzw. Trifokalgläser).
Bifokalbrillen bieten eine Korrektur für Kurzsichtigkeit bzw. Weitsichtigkeit sowie ein „Fenster“ für den Lesebereich. Beim Wechsel von der Fernsicht zur Nahsicht entsteht ein leichter Bildsprung, an den sich der Träger gewöhnt. Dieser Sprung kann durch das Hinzufügen eines Zwischenbereichs (Trifokalglas) gemildert werden. In diesem Fall benötigt das Auge und das visuelle System eine gewisse Eingewöhnungszeit, bis der Blick mühelos durch diese verschiedenen Bereiche erfolgt.
Fortschrittliche Gläser
Im Gegensatz zu Bifokal- und Trifokalgläsern integrieren Gleitsichtbrillen die Korrekturen für den Nahbereich bis zur Ferne kontinuierlich im gesamten Glas, wobei der Sichtbereich für den Nahbereich rechts und links begrenzt ist. Je nachdem, wie der Träger den Blick senkt, um etwas in der Nähe zu sehen, findet er seine ideale Zone. Da der Nahbereich bei Gleitsichtgläsern enger ist als bei Doppel- oder Mehrstärkengläsern, erfordert die Anpassung eine gewisse Zeit. Erfahrung und eine große Anzahl von Trägern zeigen jedoch, dass sich das visuelle System in der Regel sehr gut anpasst. Gleitsichtbrillen erfordern vom Optiker höchste Präzision, von der Refraktion (Sehtest) über die Messungen bis hin zur endgültigen Anpassung der Brille.
Es gibt Fortschrittliche Gläser in unterschiedlichen Qualitäten: Billige Gläser sind mit festen Nah- und Fernbereichen ausgestattet, an die sich der Träger mehr oder weniger stark gewöhnen muss. Verschiedene Glashersteller bieten zunehmend komfortablere und flexiblere Gleitsichtgläser an. Heute reicht dies bis hin zu maßgeschneiderten Gläsern, die die Anpassungszeit nahezu auf null reduzieren.
Spezialgläser
Selbstverständlich werden von der Augenoptik auch Spezialgläser für eine Vielzahl von Sonderfällen hergestellt, wie zum Beispiel:
- Schutzgläser für verschiedene Anforderungen (Schutz vor Stößen, Funken, UV-Strahlung)
- Prismengläser zur Korrektur von Heterophorien (latentes Schielen)
- Kataraktgläser bei fehlendem Linsenkörper (heutzutage selten)
- Farbfilter: Spezifische Filter für bestimmte Farben bei Fehlsichtigen, d.h. Personen mit eingeschränkter Sehschärfe trotz vollständiger Korrektur (schlechte Sicht)
- Polarisierende Gläser für Wassersportler, Fischer und Seeleute.